Konflikte. Im Laufe des Lebens erleben wir sie alle. Und das ist gut so! Ja, richtig gelesen: Konflikt ist nicht einfach nur unangenehm. Er bietet auch ungeahntes Potential für Entwicklung und Verbesserung. Doch wie kannst Du diese Chance nützen? In diesem Artikel habe ich die wichtigsten Tipps und Informationen für Dich zusammengestellt
- Finde heraus, welcher Konflikt-Typ Du bist
- Nutze die 6 verschiedenen Konflikt-Lösungsstile
- Kenne die Pros und Kontras der 6 Lösungsstile
- Erfahre, wie sich diese Stile in einem klassischen
hierarchischen Unternehmen und in einem selbstorganisierten Unternehmen zeigen - Finde Strategien, um Deinen nächsten Konflikt kreativ und souverän zu lösen
1. Flucht oder Totstellen: Seit Urzeiten bestens bewährt
Du machst es wie der Hase und läufst schnell davon. Im Büro ignorierst Du ärgerliche Kommentare, flüchtest vor dem Kollegen zum Kopierer oder verdrängst die Unzufriedenheit ganz einfach. Im Extremfall kündigst Du kommentarlos – innerlich oder tatsächlich.
Pro: Du gehst dem Konflikt im Augenblick aus dem Weg, musst Dich nicht damit auseinandersetzen und hast sofort Ruhe. Du sparst Ressourcen und Energie für wichtigere Dinge.
Kontra: Du löst den Konflikt nicht, lernst nichts daraus und fühlst Dich benachteiligt. Du hast weniger Chancen zu bekommen, was Du willst oder Deine Sicht einzubringen.
2. Kampf oder Vernichtung: Heißläufer aus der Urzeit
Du tust es wie der Löwe und holst lautstark zum Angriff aus. Die Strategie ist: bekämpfen, gewinnen oder beseitigen. Du machst Deinem Unmut Luft und hast keine Angst vor Gegenwind. Im Extremfall greifst Du zu Rufmord und Kündigung unerwünschter Mitarbeiter (wenn Du Vorgesetzte/r bist).
Pro: Du stellst Dich dem Konflikt und nützt das Potential für Veränderung. Du hast die Chance, zu bekommen, was Dir wichtig ist und Deine Sicht einzubringen.
Kontra: Du verbrauchst eine Menge Energie und Ressourcen und fängst ständig von vorne an. Der Wunsch zu gewinnen ermöglicht keine Integration mit der Sichtweise der Anderen.
Flucht und Kampf in hierarchischen und in selbstorganisierten Unternehmen Flüchten und Kämpfen sind die ersten zwei Lösungsmuster, auf die der Mensch zurückgreift. Deshalb finden wir sie auch in jeder Organisationsform. Es lohnt sich also, sich damit auseinander zu setzen:
Im Konflikt sendet das Gehirn Alarmsignale an den Körper, der sich nun auf Flucht oder Kampf vorbereitet, je nachdem, was sinnvoller erscheint. Konflikte werden heute kaum mehr über körperliche Aktivität (Kämpfen, Davonlaufen) ausgetragen. Es wird schwieriger, Stresshormone abzubauen und den Körper wieder zur Ruhe zu bringen. Deshalb ist es sinnvoll, den Stressabbau zum Beispiel mit gemäßigtem Sport zu unterstützen.
3. Unterordnung: Solange ich die Füße unter Papas Tisch habe…
Unterordnung ist die bewusste Entscheidung, jemandem zu folgen und damit eine Form der Zustimmung. Dadurch unterscheidet sie sich von der Strategie Flucht, bei der Du zwar schweigst, aber trotzdem missbilligst. Unterordnung ist außerdem ein Tauschgeschäft, zum Beispiel von Lebenszeit gegen Gehalt. Du löst einen Konflikt, indem Du Dich dazu entscheidest, einer kompetenteren Person zu folgen, wie etwa der Chefin oder dem Sporttrainer.
Pro: Du hast Zugehörigkeit und kannst im System lernen, den Konflikt zu lösen. Im besten Fall ordnest Du Dich einer kompetenten Person unter. Dadurch ist Entwicklung ist möglich, ohne dass Du volle Verantwortung für die Lösung des Problems tragen müsstest.
Kontra: Du bist vom Wohlwollen und der Kompetenz der Person abhängig, der Du Dich unterordnest. Du hast wenig bis gar keinen Einfluss auf die Lösung und wenig Ausstiegsmöglichkeiten aus dem System.
Im hierarchischen Unternehmen: Die Führungskraft ist unabhängig von den Aufgaben an eine einzelne Person gebunden, der die untergeordneten Mitarbeiter folgen (müssen), selbst wenn durch bestimmte Entscheidungen Verluste für Personen oder das Unternehmen entstehen. In Hierarchien können Menschen der Unterordnung nicht entkommen, ohne das System zu verlassen.
Im selbstorganisierten Unternehmen: Die Führungskraft ist an die Aufgabe gebunden: Andere ordnen sich der Person unter, die die Sache am Besten lösen kann. Hermann Arnold beschreibt im Prinzip „Führen & Folgen“ das Folgen als eine bewusste Entscheidung zur Unterordnung. Sie kann aufgehoben werden, wenn z.B. gravierende Verluste für Person oder Unternehmen drohen.
4. Delegation: Mama wird es richten…
Du löst den Konflikt, indem Du einen unbeteiligten Dritten, wie etwa RichterIn oder Manager, mit der Lösungsfindung beauftragst. Es gelten die Regeln des Rechtssystems oder firmeneigene Rahmenbedingungen, um den Konflikt zu beenden. Damit unterscheidet sich Delegation von der Mediation, bei der keine Lösung entschieden, sondern mehrere Wege vorgeschlagen werden.
Pro: Du kommst recht schnell zu einer Lösung, musst Dich nicht zu sehr mit dem Gegenüber befassen und trägst weniger Verantwortung. Jemand anderer trifft für Dich die Entscheidung nach vorherrschenden Parametern.
Kontra: Die Lösung ist eine fremde Entscheidung, mit der Du leben musst. Wenn eine Seite mit dem Ergebnis unzufrieden ist, bleibt der Konflikt bestehen.
Im hierarchischen Unternehmen: Die geltenden Rahmenbedingungen werden von einer kleinen Zahl von Menschen pyramidenförmig von oben nach unten vorgegeben und sind schwer veränderbar.
Im selbstorganisierten Unternehmen: Die Rahmenbedingungen werden von einem kleinen, vielfältigen Kreis für alle entwickelt, berücksichtigen vielfältige Perspektiven und sind leichter veränderbar.
5. Kompromiss: Ein bisschen von allem
Der Kompromiss ist der kleine faule Bruder des Konsens‘ (siehe 6). Du beendest einen Konflikt, indem Du erstmals mit dem Gegenüber auf Augenhöhe gehst. Ihr mischt jeweils 50% der Anliegen in der Lösung zusammen. So geschieht es bei der Regierungsbildung. Oder bei der Gehaltserhöhung: Du möchtest 500 Euro mehr und erhältst 250.
Pro: Die Lösung beinhaltet zumindest die Hälfte Deiner Wünsche und Vorstellungen. Ein Kompromiss ist relativ schnell erreicht und lässt Dir Wahlmöglichkeiten.
Kontra: Du musst bei Kompromissen immer auf etwas verzichten, das Dir wichtig ist. Daher sind alle Beteiligten stets ein bisschen unzufrieden. Eventuell wirst Du auch unehrlich, um das Ergebnis in Deine gewünschte Richtung zu lenken.
Im hierarchischen Unternehmen: Kompromiss ist auf unterschiedlichen Stufen der Hierarchie selten, da er Augenhöhe voraussetzt. Er findet sich eher auf gleicher Ebene, z.B. wenn zwei Abteilungsleiter das Budget aufteilen. Hier ist die typische Verhandlungsstrategie: Es wird von vorneherein höher angesetzt, um herunterhandeln zu können.
Im selbstorganisierten Unternehmen: Kompromiss ist potentiell zwischen allen möglich, da es keine hierarchischen Ebenen gibt und wird auch recht häufig eingesetzt. Er führt zu einer schnelleren, aber langfristig weniger tragfähigen Lösung als der Konsens.
6. Konsens: Heiß begehrt und schwer zu kriegen
Um einen Konflikt im Konsens zu lösen, fragst Du erstmals Dich und Dein Gegenüber: „Was willst Du und warum?“ Laut Gerhard Schwarz** haben wir meist eine Reihe anderer Konfliktlösungen versucht, bevor wir den Konsens anstreben. Nun erkennen wir, dass eine Lösung die zugrundeliegenden Bedürfnisse beider Seiten erfüllen muss. Auch wenn Konsens immer erstrebenswert scheint, solltest Du bedenken, dass er sehr zeitintensiv ist und eine Vertrauensbasis und persönliche Öffnung voraussetzt. Frag‘ Dich: Wie wichtig ist Dir langfristig die Zusammenarbeit mit einem Menschen? Lohnt es sich, Zeit und Energie in den Konsens zu investieren?
Pro: Konsens eröffnet völlig neue Wege und erweitert das Lösungsspektrum ungemein. Das Ergebnis wird von beiden Seiten getragen und ist nachhaltig befriedigend. Konsens verbessert die Beziehung langfristig und ist daher erstrebenswert, wenn es um eine gemeinsame Zukunft geht.
Kontra: Er ist enorm zeitaufwändig und verlangt ein hohes Maß an Öffnung, Ehrlichkeit und Vertrauen. Du musst viel von Dir preisgeben und Dich mit Deinen eigenen und den Bedürfnissen des Gegenübers auseinandersetzen.
Im hierarchischen Unternehmen: Als Konfliktlösung ist Konsens kaum vertreten, da sowohl die Augenhöhe als auch die Bedürfnisorientierung untergeordnet sind. Wenn es brennt, entscheidet immer noch der Chef.
Im selbstorganisierten Unternehmen: In einem tragfähigen System kommt es leichter zum Konsens. In einer echten Konfliktsituation muss im selbstorganisierten Unternehmen ein Konsens erreicht werden, da sonst der Zusammenhalt zerbricht.
Tipps: Optimiere Dein Konflikt-Potential
Das sind die ersten Schritte, wenn Du Konflikte zu einer guten Lösung führen willst:
Beobachte dich und erkenne Zusammenhänge
Wie reagierst Du in welchen Konflikt-Situationen? Wann nutzt Du welchen Konflikt-Lösungsstil? Beobachte Dich in verschiedenen privaten und beruflichen Situationen: Löst Du Konflikte mit Deinen Kindern anders, als Konflikte mit Deinen Eltern? Wie unterscheidest Du Dich als Kind und als Elternteil?
Welche Lösungsstile verwendest Du auf verschiedenen Berufsebenen, wenn Du zum Beispiel in einer „Sandwich-Position“ bist, in der Du sowohl ein Team leitest, als auch eine/n ChefIn hast?
Bist Du mit dem Ergebnis zufrieden? Wenn ja, dann musst Du nichts ändern, denn Du nutzt den richtigen Stil. Wenn Du jedoch unzufrieden bist, ist das ein Hinweis, dass Du für einen Konflikt den falschen Lösungsstil verwendest.
Wann reagierst Du wie und mit welchem Stil? Erkennst Du ein Muster?
Andere spielend den Stil
Pro-Tipp: Um einen neuen Konflikt-Lösungsstil auszuprobieren, eignen sich Gesellschaftsspiele. Wenn Du zum Beispiel eher lautstark kämpfst, probiere es mal mit einem untypischen Stil wie Unterordnung, Flucht oder Kompromiss. Lerne aus Deinen Ergebnissen!
Vergiss richtig und falsch
Wir haben die Tendenz, manche Lösungsstile für besser zu halten. Dabei gibt es einfach nur den richtigen Lösungsstil für Deine Konfliktsituation und Dein Ergebnis.
Ich hoffe, dass Dir dieses Wissen die nächste Konflikt-Situation erleichtern wird und Du damit schneller die passende Lösung für Dich findest! Wenn Du Fragen oder Anmerkungen hast, freue ich mich über Deine Nachricht.
* Anmerkung zum Du: In meinen Seminaren verwende ich gerne ein kollektives Du, weil es die Kommunikation in der Gruppe vereinfacht und persönlicher macht. In diesem Artikel habe ich mich entschieden, aus den gleichen Gründen die Du-Form zu wählen. Wenn Sie mit mir in persönlichen Kontakt treten wollen und ein „Sie“ bevorzugen, nehme ich gerne darauf Rücksicht.
**Die Grundlagen der Konfliktlösungsstiele sind von Gerhard Schwarz: Konfliktmanagement, Konflikte erkennen, analysieren, lösen
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