Wie oft hast du in deinem Führungsalltag erlebt, dass ein Missverständnis zu einem Konflikt geführt hat? Jemand fühlt sich übergangen, falsch verstanden oder ungerecht behandelt – und plötzlich steckt das Team in einer angespannten Situation.Doch woran liegt das? Häufig sind es nicht die Fakten selbst, die zu Konflikten führen – sondern unsere Interpretation dieser Fakten.“
Was siehst du auf diesem Foto?

Wenn du Menschen fragst, was sie auf diesem Bild erkennen, hörst du oft Antworten wie:Zwei, die sich streiten… Er ist ihr unterwürfig… Sie will ihn nicht ausreden lassen…
Ein Mann und eine Frau…
Wir sind schon mitten im Thema Beobachtung versus Interpretation. Was genau ist der Unterschied zwischen Beobachtung und Interpretation?
Eine Beobachtung besteht aus sinnlich wahrnehmbaren Fakten: Was sehe ich?Was höre ich? Was rieche ich? Was schmecke ich? Was fühle ich? Eine Beobachtung beschreibt eine konkrete Situation, ohne sie zu bewerten oder zu deuten.
Eine Interpretation hingegen ist eine Auslegung, eine Deutung oder Beurteilung einer Wahrnehmung. Sie entsteht durch unsere bisherigen Erfahrungen, durch Erzählungen anderer oder durch den sozialen Kontext, in dem wir leben. Interpretationen sind oft verallgemeinernd und dadurch ungenauer, weil sie sich nicht nur auf die konkrete Situation beziehen, sondern bereits ein Werturteil enthalten.
Kommen wir nun zum Bild zurück. Lass uns gemeinsam überprüfen, welche der genannten Aussagen eine Beobachtung und welche eine Interpretation sind.
👉 „Zwei, die sich streiten.“
Was meinst du, ist das eine Beobachtung oder eine Interpretation? Das ist eine Interpretation, denn um ein Gespräch als Streit zu bezeichnen, bräuchte es mehr Informationen. Wir können lediglich einen Mann und eine Frau beobachten, die vor einem Holzzaun stehen.. Er hat seine Arme leicht nach außen gestreckt, mit offenen Händen, und schaut in Richtung der Frau. Sie hebt eine Hand mit der Handfläche nach außen in seine Richtung, während sie ihren Blick leicht abwendet. Wäre es ein bewegtes Bild, könnten wir zusätzlich hören, ob sie laut oder leise sprechen oder ob ihre Stimmen angespannt klingen.
👉 „Er ist ihr unterwürfig.“
Auch das ist eine Interpretation. Stell dir vor, du wärst Schauspieler, und dein Regisseur gibt dir die Anweisung, eine unterwürfige Rolle zu spielen. Was würdest du tun? Wahrscheinlich würdest du den Kopf leicht senken, dich etwas kleiner machen, deine Schultern nach vorne ziehen und vielleicht mit einer leisen, zurückhaltenden Stimme sprechen. Diese einzelnen Verhaltensweisen sind Beobachtungen – aus ihrer Summe entsteht die Interpretation „unterwürfig“.
👉 „Ein Mann und eine Frau.“
Diese Aussage scheint zunächst eine Beobachtung zu sein. Doch ist Geschlecht wirklich eine objektiv wahrnehmbare Tatsache oder doch eine gesellschaftliche Konstruktion? Diese Frage hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Je nach Perspektive könnte es eine Beobachtung oder eine Interpretation sein. Was denkst du? Wie würdest du es einordnen?
Warum unser Gehirn automatisch interpretiert
Unser Gehirn liebt Effizienz. Anstatt jede Situation neutral zu analysieren, neigt es dazu, schnell Urteile zu fällen und Muster zu erkennen, weil das schneller geht und weniger kognitive Ressourcen benötigt. Zudem kann unser Gehirn nicht jedes Detail einzeln wahrnehmen und analysieren – hier hilft die Mustererkennung, um Informationen zu verarbeiten.
Wenn unser Gehirn also so gut darin ist, automatisch zu interpretieren – warum nicht einfach so weitermachen wie bisher? Hier lohnt es sich, genauer hinzusehen. Wenn deine Kommunikation problemlos funktioniert, dein Gegenüber sich verstanden fühlt und es keine Missverständnisse gibt, dann ist es in Ordnung, Interpretationen zuzulassen. In diesen Fällen erfüllt unsere schnelle Schlussfolgerung eine hilfreiche Funktion.
Anders sieht es aus, wenn du merkst, dass Gespräche aneinander vorbeigehen, dass dein Kommunikationspartner verärgert oder verletzt reagiert oder dass Diskussionen oft in Streit enden. Das sind klare Anzeichen dafür, dass deine Interpretation nicht immer zutrifft und du genauer hinsehen solltest. In solchen Situationen kann es hilfreich sein, bewusster zwischen Beobachtung und Interpretation zu unterscheiden und öfter nachzufragen, statt direkt eine Annahme zu treffen.
Das Problem:
🙄 Diese Urteile basieren oft auf Erfahrungen, Annahmen oder Emotionen – nicht auf den tatsächlichen Fakten.
🙄 Wir neigen dazu, unsere erste Interpretation für die Wahrheit zu halten, ohne sie zu hinterfragen.
Beispiel: Du hast bereits schlechte Erfahrungen mit einem bestimmten Kollegen gemacht und stellst fest, dass er sich in einem Meeting passiv verhält. Deine Interpretation: „Er blockiert das Thema absichtlich.“ Doch vielleicht ist er einfach erschöpft oder gedanklich bei einem anderen Problem. Dein vorgefertigtes Bild von ihm beeinflusst deine Wahrnehmung.
Wie du Missverständnisse in der Führung vermeidest
Als Führungskraft kannst du aktiv dazu beitragen, dass Missverständnisse im Team reduziert werden.
Klar zwischen Beobachtung und Interpretation trennen
Wenn du einen Konflikt ansprichst, formuliere ihn so neutral und faktenbasiert wie möglich. Wenn du interpretierst, dann mach das für dein Gegenüber transparent: Meiner Meinung nach ist das so… Meine Hypothese ist.dass…
Mit offenen Fragen arbeiten
Statt Annahmen zu treffen, stelle Fragen, die Raum für Klärung lassen:
- „Wie hast du die Situation erlebt?“
- „Was war dein Gedanke dabei?“
- „Gibt es etwas, das ich nicht mitbekommen habe?““
Fazit: Weniger Missverständnisse, bessere Zusammenarbeit
✅ Missverständnisse entstehen oft, weil wir Interpretationen für Fakten halten.
✅ Führungskräfte sollten bewusst zwischen Beobachtung und Interpretation unterscheiden.
✅ Durch präzisere Kommunikation lassen sich Konflikte frühzeitig entschärfen.
👉 Wie geht es weiter?
Im nächsten Teil dieser Blogreihe schauen wir uns an, wie du mit Ich-Botschaften schwierige Themen konstruktiv ansprechen kannst.
💡 Diskutiere mit!
Hast du schon erlebt, dass eine Interpretation zu einem Missverständnis geführt hat? Wie gehst du in solchen Situationen vor? Schreib es in die Kommentare oder teile deine Erfahrungen auf LinkedIn!